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Französische Geistliche im Todeszug

Der Todeszug aus Buchenwald

Von Klemens Hogen-Ostlender

 

Bahnhof Weimar, 7. April 1945, acht Uhr abends. In einem Sonderzug warten 5009 Männer, exakt abgezählt, auf die Abfahrt. Sie sind nach sechs Kilometern Fußmarsch, den 71 Kameraden nicht überlebt haben, hier angekommen. SS-Männer haben sie erschossen oder erschlagen. Die 5009 sind Häftlinge aus dem KZ Buchenwald. Sie sollen vor den anrückenden amerikanischen Truppen in „Sicherheit“ gebracht werden. Zusammengepfercht in 54 geschlossenen Viehwaggons und offenen Güterwagen. Der Transport wird als Todeszug in die Geschichte eingehen. Als er am 28. April in Dachau ankommt, werden noch 816 Überlebende registriert. 

 

Dies ist die Geschichte von neun französischen Häftlingen, die das Schicksal an diesem Abend am Bahnhof zusammengeführt hat. Sie haben eines gemeinsam: Den Grund ihrer Gefangenschaft, sie weigerten sich, ihren katholischen Glauben zu verleugnen. Für die fünf von ihnen, für die diese Zugreise eine Reise in den Tod war, laufen heute Seligsprechungsverfahren als Blutzeugen für Christus. Die vier, die für Frankreich gekämpft haben, sind 1940 in Kriegsgefangenschaft gekommen. Aus verschiedenen Lagern im Rheinland werden alle ins Gestapogefängnis Brauweiler bei Köln eingeliefert und landen schließlich im KZ Buchenwald: René Boitier, 1917 geboren im Raum Paris, Philippe Bouchard, der 1916 in Nantes zur Welt kam, Raymond Louveau, geboren 1913 im Rand der französischen Hauptstadt, und Jean Préhu, Jahrgang 1920, der aus Laval im Nordwesten des Landes kommt. Alle gerieten als katholische Pfadfinder ins Visier der Gestapo.

Vier weitere werden als Seminaristen des franziskanischen Studienhauses in Carrières-sous-Poissy bei Paris 1943. Sie wurden zur Zwangsarbeit im Gebiet um Köln verschleppt, ebenfalls nach Brauweiler eingewiesen und dann in Buchenwald eingekerkert: Louis Paraire (Geburtsname Joseph, geboren 1919 im Vincennes im Weichbild der französischen Metropole, Eloi Leclerc, den seine bretonischen Eltern 1921 auf den Namen Henri tauften, Daniel (ursprünglich Jean) Verbraecken, zur Welt gekommen 1920 in Roubaix an der belgischen Grenze und  der ebenfalls aus dieser Stadt stammende 24-jährige Jean-Pierre (René) Fourmentraux. Pierre Harignordoqui, geboren 1910 im unmittelbar an der spanischen Grenze gelegenen Dorf Saint-Étienne-de-Baïgorry, wird als „politischer Franzose“ als Pfarrer von Espelette im Baskenland 1944 verhaftet und kommt ebenfalls nach Buchenwald. Er gibt sich dort nicht als Priester zu erkennen. Dieses KZ hatte mehr als 150 Außenlager. Häftlinge müssen dort bis zur Erschöpfung in der Rüstungsindustrie arbeiten. Die Zahl der Todesfälle war vergleichsweise „niedrig“.

Der Grund: Wer arbeitsunfähig wird, wird zum Sterben ins KZ Buchenwald zurückverlegt.

 

Wie Vieh zusammengepfercht

 

Pierre Harignordoqui versucht beim Marsch zum Bahnhof wenige Meter vor dem Ziel, einen Kameraden, der nicht mehr kann, zu ermutigen: „Auf Marcel, eine letzte Anstrengung für deine Mama – wir kommen an den Bahnhof!“ Doch ein SS-Mann jagt dem Freund eine Kugel in den Kopf. Der Pfarrer brütet viele Jahre später: „Oft frage ich mich seitdem, warum er nicht anschließend mich erschoss“.

An die hundert Mann werden jeweils in einen Waggon gesperrt. In den offenen, von Kohlenstaub verdreckten Wagen, sind die Gefangenen schutzlos der Witterung ausgesetzt. In den Viehwaggons ist die Luft von Ausdünstungen hundert gequälter Leiber durchsetzt. 18 Quadratmeter Bodenfläche hat jeder Waggon. Ein Viertel der Fläche ist jeweils für zwei SS-Wachen reserviert. Sieben Häftlinge sind so auf jedem Quadratmeter zusammengepfercht.

Die Deutsche Reichsbahn lässt sich den Todeszug übrigens wie damals üblich bezahlen. Nicht zum Frachttarif für Güterzüge, sondern für jeden Häftling wie im normalen Personenzug – aber zum Tarif für Gruppenreisen.

 

Das KZ Flossenbürg,150 Kilometer südöstlich, ist Ziel des Transports. Trotzdem geht die Fahrt zunächst in Richtung Leipzig, nach Nordosten – möglicherweise aus Furcht vor den sich aus Südwesten nähernden US-Truppen, oder um zerstörte Bahnanlagen im Reichsgebiet zu meiden. Eloi Leclerc, der in einem offenen Wagen sitzt, erinnert sich später:

„Der furchtbare Alptraum hatte begonnen. Der Zug rollt langsam durch die Nacht. In der drangvollen Enge war es unmöglich, auch nur ein Bein auszustrecken“. Die Häftlinge hocken auf dem Boden, „eng zusammengepresst, ein Kamerad zwischen den Beinen, wie Skelette, die ineinander verschachtelt waren.  Einige unter uns haben zum Glück eine Decke mitnehmen können. Zu dieser Jahreszeit waren die Nächte in Deutschland noch sehr kalt.“

Während der vielen langen Halts „mussten wir weiter am Boden hocken. Nur schnell und verstohlen, mit gesenktem Kopf, konnten wir aufstehen und die Gefäße nach draußen entleeren, in die wir unsere Notdurft verrichteten“.

 

Mitten durch Großstädte

 

Nach sechs Stunden schon kommt die Nachricht, Flossenbürg sei bereits in amerikanischer Hand. Das ist falsch. Das KZ wird erst 13 Tage später befreit. Trotzdem wird der Zug erst einmal einen vollen Tag lang gestoppt. Frühmorgens am 9. April geht es weiter. Mitten durch zwei Großstädte, Leipzig und Dresden. Soweit nach Osten, dass Pierre Harignordoquy sich schon fragt, „ob sie uns an die russische Front fahren und uns Befestigungen machen lassen wollen“. 

Bei Leipzig wurden die ersten Toten neben dem Schienenstrang verscharrt. Die defekte Lok muss ausgetauscht werden. Reparaturen am stark zerstörten Eisenbahnnetz zwingen zum Warten. Kriegswichtige Transporte haben Vorrang. Der französische Häftling François Bertrand, Mitglied der Katholischen Aktion und wegen seiner Tätigkeit unter nach Deutschland verschleppten Landsleuten zum Tode verurteilt, führt über alle Bewegungen auf Zetteln Buch. Bei der SS fällt irgendwann der Entschluss: Nach Dachau. Der nächste größere Halt ist das tschechische Nýřany (Nürschan) bei Pilsen, 150 Kilometer südwestlich von Dresden. Es wird am 11. April erreicht. Einheimische riskieren die Todesstrafe, indem sie den Häftlingen Lebensmittel zustecken. Trotzdem herrschten Hunger und Durst im Zug. So viele sterben nun, dass keine Zeit bleibt, sie zu begraben. Die Leichen werden in Waggons am Zugende gesammelt.

Als erster der neun Franzosen starb Philippe Bouchard am 12. April in Nýřany. In seinem Waggon hat sich ein verhungernder Häftling auf einen Wachposten gestürzt, um ihm das Essen zu entreißen. Zwei SS-Männer erschießen daraufhin die meisten Insassen des Waggons, darunter Bouchard und auch Raymond Louveau. Manche Quellen nennen für ihn den 18. oder 28. April als Todesdatum, erwähnen dabei aber die Schießerei vom 12.

Am 13. April geht es nach Stod (Staab).  Dort kommt der Zug nach nur 15 Minuten an und hält wieder bis zum übernächsten Tag.

 

Lernen, was im Menschen ist

 

Eines ist für Eloi Leclerc besonders schlimm:

„Das, was wirklich weh tat, ganz furchtbar weh tat, das war, wenn man sich selbst dabei ertappte, einen Sterbenden zu beobachten mit dem Hintergedanken, am nächsten Tag vielleicht mehr Platz zu haben um sich ausstrecken zu können. Auf brutale Weise mussten wir lernen, was im Menschen ist´, wie es beim Evangelisten Johannes heißt“.

Als der Zug wieder fährt, wird Louis Paraire krank.

Er ist, so seine Gefährten, trotzdem „wie immer bestrebt, um sich herum ein Klima der Nächstenliebe und einer sehr geeinten Brüderlichkeit zu verbreiten“. Nachdem erneut ein SS-Offizier Häftlinge beschossen hat, sind alle mit dem Blut der Getroffenen bedeckt.

Eloi Leclerc: „In dieser Situation kam uns der Gedanke, den Text des heiligen Paulus im Römerbrief mit neuen Augen zu lesen:

„, Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? In der Schrift steht: Um deinetwillen sind wir den ganzen Tag dem Tod ausgesetzt; wir werden behandelt wie Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat. Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn´“.

 

Massaker in Nammering

 

In Bayerisch Eisenstein erreicht der Zug am 18. April wieder Reichsgebiet. Endstation ist an diesem Tag Deggendorf an der Donau.  Von dort wäre es möglich gewesen, Dachau auf direktem Wege zu erreichen. Aber der Bahnknotenpunkt Plattling am anderen Flussufer ist zwei Tage zuvor von amerikanischen Bombern völlig zerstört worden, die Strecke war blockiert.

Deshalb wird der Zug links der Donau in Richtung Passau umgeleitet.

Doch am 19. April beginnen „die schrecklichen Tage von Nammering“, wie Überlebende sie später nennen.

Weil kurz zuvor bei Tittling ein Wehrmachts-Transport entgleist ist, geht es auch auf dieser Strecke vorerst nicht weiter. Zehn Kilometer vor Passau geschieht ein Massaker. François Bertrand schreibt später: „Es regnet, es ist kalt, wir werden mehr als fünf Tage an diesem Ort bleiben, ständigem Schneeregen ausgesetzt. In den offenen Waggons steht das Wasser fünf Zentimeter hoch“. Während des Aufenthalts sterben 524 Häftlinge. Sie verhungern, erfrieren, ihr Leben erlöscht durch Erschöpfung, sie werden von der SS erschlagen oder erschossen und in einem Massengrab verscharrt. Weitere 268 Häftlinge, die bereits vor der Ankunft gestorben waren, werden verbrannt.

Es wären wohl noch mehr Todesopfer gewesen, hätte Pfarrer Johann Bergmann aus dem benachbarten Aicha nicht sein Leben riskiert, indem er trotz strengen Verbots zu Lebensmittelspenden aufrief. Auch Philippe Bouchards Leichnam kommt in das Massengrab. Nachdem die US-Armee den Ort erreicht hat, werden die Toten exhumiert und in Särgen erneut bestattet.  Die sterblichen Überreste Philippe Bouchards und anderer Ermordeter werden schließlich 1958 noch einmal exhumiert und auf dem Ehrenfriedhof des ehemaligen KZ Flossenbürg endgültig beigesetzt.

 

Am 24. April ist die Strecke nach Passau wieder frei. Der Zug wird geteilt (nach anderen Quellen ist das bereits vor der Ankunft in Nammering geschehen). Eine Hälfte fährt mittags ab, die andere abends. Die hier genannten Zeiten beziehen sich jeweils auf den zweiten Teil. Nachts wird in Passau die Donau überquert. Über Fürstenzell geht es parallel zum Fluss nach Pocking. 21 Stunden dauert das. Heute schaffen Züge die kurze Strecke in einer Dreiviertelstunde. Noch in der Nacht stirbt vermutlich Jean Préhu bei einer Schießerei.

Der 25. und der 27. April werden in unterschiedlichen Quellen auch als Todesdatum genannt, als Todesort aber immer Passau.

 

Unsere Schwester, der leibliche Tod

 

Am Abend des 25. April erreicht der Zug auf einem Nebengleis den Bahnhof Pocking.  Louis Paraire leidet schwer an Ruhr. Eloi Leclerc: „Mit unserem Bruder Louis geht es zu Ende. Seit dem Tod des Poverello [ gemeint ist der heilige Franziskus von Assisi] ist wohl niemand einen so gefassten und friedlichen, ebenso schmucklosen wie schlichten Tod gestorben wie er. Er empfing noch das Bruchstück einer konsekrierten Hostie, dann erlosch sein Leben unmerklich. Ein heiliges Geschehen hatte sich vollzogen. In diesem Moment sind sicher keine fröhlichen Lerchen über den Waggon geflogen [ wie es vom Sterben Franziskus´ berichtet wird], aber unser Bruder ist im Glauben und in der Geduld der Heiligen gestorben“.

Die Gefährten begleiten seine letzten Momente mit dem Sonnengesang des heiligen Franziskus, in dem es heißt

„Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, den leiblichen Tod; ihm kann kein Mensch lebend entrinnen. Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben. Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen, denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun“.

 

Vor der Weiterfahrt greifen amerikanische Tiefflieger tagsüber den Zug an. Die SS-Wachen schießen zurück. Hinterher heißt es, die Piloten hätten den Zug für einen Munitionstransport gehalten. Die Gefangenen in den offenen Güterwagen sind völlig schutzlos, aber auch in den Viehwaggons schlagen die Geschosse ein.

Am 27. April kommt der erste Teil des Zugs mittags am KZ Dachau an. Der Rest folgt in der Nacht gegen 1 Uhr.

In den Waggons werden 2310 Tote und 814 Überlebende gezählt. Pierre Harignordoqui wiegt bei der Ankunft in Dachau noch 32 Kilogramm.

Die „Begrüßung“ schilderte er später so: „Ein SS-Mann ergriff mich und warf mich auf die Straße, wo ich mit dem platten Bauch in eine Wasserpfütze fiel, die ich in großen Zügen austrank“.  Mit Schokolade und Zucker bringen Mithäftlinge halbwegs wieder zu Kräften.

Am nächsten Tag, abends gegen acht sind die Befreier da.

Die französischen Geistlichen vergossen „unwiderstehliche Freudentränen“, aber Typhus und Fleckfieber grassierten auf dem Gelände. Es sterben noch etwa weitere 2000 Menschen nach der Befreiung an diesen Krankheiten. 

Der Pfarrer aus dem Baskenland staunt über die Verteilung von Lebensmitteln: „Unglaublich! Jeder Häftling bekam ein halbes Brot und eine Fleischbrühe. Dann, Tag um Tag, nahmen die Portionen noch zu und wurden restlos gegessen“.

Er kritisierte aber auch: „Nach meiner Ansicht glaube ich, dass die Amerikaner es verkehrt machten indem sie den Ausgehungerten so viele Lebensmittel gaben. Davon starben viele, denn der Umschwung war zu schnell und radikal“.

 

Nach der Befreiung

 

Die überlebenden Franzosen kehren, sobald sie wieder halbwegs zu Kräften gekommen sind, heim nach Frankreich.

Jean-Pierre Fourmentraux  wird 1948 zum Priester geweiht. Als Arbeiterpriester betreut er die Beschäftigten in einer Fabrik seelsorgerisch. 1954 wendet er sich von der Kirche ab und heiratet vier Jahre später. Er tritt in die Kommunistische Partei ein. In seinen letzten Lebensjahren bezeichnet er sich als Atheist und stirbt 2007.

Über das weitere Leben von Daniel Verbraeken gibt es im Internet keinen Hinweis.

Auch bei Eloi Leclerc haben die Jahre unmenschlicher Behandlung Spuren hinterlassen. Nachts wachte er oft schweißnass auf, seine Seele war voller Angst.  Schreckensbilder verfolgen ihn. Dennoch setzte er sein Studium fort, legte 1946 die feierliche Profess im franziskanischen Orden ab und empfing 1948 die Priesterweihe. Nach einem weiteren Studium der Philosophie lehrt er bis 1982 Philosophie in Studienhäusern seines Ordens in Frankreich.

Von 1983 bis 1986 lebt er in einer Einsiedelei im Elsass und widmet sich dem Schreiben von Büchern über Spiritualität, Meditation und philosophischen Reflexionen. 1988 tritt er dem Kloster von Rennes bei, wo er weiter Bücher schreibt und Schulungen sowie Exerzitien leitet. 1999 wird er in das Haus der Kleinen Schwestern der Armen im bretonischen Saint-Malo aufgenommen.  Dort stirbt er auch am 13. Mai 2016 als Autor von etwa 30 Büchern. Schon das erste, „Die Weisheit eines Armen“, hat ihm universellen Ruhm als „einer der größten franziskanischen Denker unserer Zeit“ gebracht.

René Boitier hat den Todestransport schwerkrank überlebt. Er atmete noch, als die Amerikaner das KZ Dachau befreien und auch noch am nächsten Tag. Auf der Liste der Sterbefälle des 1. Mai aber steht auch der Name René Boitier.

 

Quellen:

(Die Orts- und Zeitangaben beziehen sich meist auf Notizen von Francois Bertrand, der über den Todeszug geforscht hat. Andere Angaben, auch von Augenzeugen, weichen mitunter davon ab).

 

https://www.memoresist.org/resistant/

https://www.memorialgenweb.org/memorial3/html/fr/complementter.php?id=5441394

http://www.tenhumbergreinhard.de/taeter-und-mitlaeufer/dokumente/bericht-todeszug-von-buchenwald.html

http://www.tenhumbergreinhard.de/taeter-und-mitlaeufer/dokumente/bericht-todeszug-von-buchenwald.html

https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Dachau

https://stevemorse.org/dachau/dachau.html

https://www.gedenkstaette-flossenbuerg.de/de/recherche/archiv

https://arolsen-archives.org/suchen-erkunden/anfragen/ihre-anfrage/

https://www.kz-gedenkstaette-dachau.de/forschung-und-sammlung/archiv/

https://www.martyretsaint.com/martyrs-de-l

https://www.buchenwald.de/1071/

https://messes.info/lieu/64/saint-etienne-de-baigorry/saint-etienne

https://www.paroishttps://www.idowa.de/inhalt.plattling-16-april-1945-luftangriff-der-amerikaner-auf-den-plattlinger-bahnhof.b745e12a-3249-4ec5-bcd2-2b1cb26b85d8.htmlse-garikoitz-lapurdi.org/communes.html

https://www.amazon.de/Peuple-Dieu-Dans-Nuit-Ned/dp/2220061825

https://franziskaner.net/tauwetter-die-zwoelf-lerchen/

https://doc-catho.la-croix.com/Urbi-et-Orbi/Actualite/Carnet/L-ecrivain-franciscain-Eloi-Leclerc-mort-2016-05-13-1200760020

http://causa.sanctorum.free.fr/martyrs_du_nazisme_3.htm

http://newsaints.faithweb.com/martyrs/Nazis2.htm

Gedruckte Quellen:

Weiler, Eugen; Die Geistlichen in Dachau. Missionsdruckerei St. Gabriel, A-2340 Mödling, 1971

Todesangst-Christi-Kapelle eine Sühnekirche?

Todesangst-Christi-Kapelle eine Sühnekirche?

Foto: Dornenkrone an der Todesangst-Christi-Kapelle auf dem Gelände des KZ Dachau (Rechte beim Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V.)

Todesangst-Christi-Kapelle eine Sühnekirche?

Ein Beitrag von Klemens Hogen-Ostlender

 

Der Begriff Sühne begegnet uns immer wieder im Zusammenhang mit den religiösen Gedenkorten der Gedenkstätte des KZ Dachau und in den Texten der in den Priesterbaracken gefangenen Geistlichen.

Herr Hogen-Ostlender, selbst gezeichnet durch schwere Krankheiten und Leid, hat uns seine Gedanken an Hand zahlreicher Quellen zum Thema Sühne hier zur Verfügung gestellt. 

 

 Kann man im 21. Jahrhundert noch von Sühne sprechen?

Versteht noch jemand, was dieser Begriff bedeutet?

Als vor einigen Jahren das 50-jährigen Bestehen des Karmels Heilig Blut auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers Dachau gefeiert wurde, schrieb eine Journalistin

 „In der Vergangenheit wurde das Kloster oft als, Sühnekloster´ bezeichnet“ und formulierte ihre Deutung des Begriffs so: „Sühne, das heißt Buße tun“. [1]

Der Erzbischof von München, Reinhard Marx (damals noch nicht Kardinal), hatte vier Jahre zuvor am 50. Weihetag der Todesangst-Christi-Kapelle darauf hingewiesen, der „Glaube nach Dachau“ sei „ein reifender Glaube, ein Glaube der erkennt, worauf es im Innersten ankommt". Dazu aber gehöre vor allem „der Gedanke der Sühne, der für viele in der Kirche fremd geworden ist, der aber im Zentrum unseres Glaubens steht".

Er nannte die Todesangst-Christi-Kapelle „ein Zeichen der Sühne, des Gebets und auch der Hoffnung inmitten des Grauens".

Die historischen Ereignisse lehrten, wie wichtig es sei, „den Glauben durch alle Dunkelheiten hindurch wach zu halten, achtsam zu sein für das, was passiert". [2]

 

Pater Leonhard Roth, der selbst Häftling im KZ Dachau war und am Ort seiner Leiden nach dem Krieg als Seelsorger wirkte, betete an einem Freitag im September 1955 einen „Kreuzweg der Sühneseelen“, in dessen Text er viel von seiner persönlichen Situation einfließen ließ.

„Auch niemand leidet so sehr auf dieser Erde wie der, der nach dem Willen des Ewigen Vaters in Deine Freundschaft hineingenommen ist. Freundschaft mit Dir, Herr, besagt, dass man mir Dir seinen Kreuzweg gehen muss, bis man mit Dir am Kreuz hängt.

Aber wie Du, Herr, um im stellvertretenden Sühneleiden die Welt mit zu erlösen.

Ja, Herr, Du hast zwar ganz allein die ganze Welt erlöst.

Aber die Zuwendung Deiner Erlösungsgnaden an die einzelnen Zeitalter geschieht durch das Mit-Leiden jener, die vom ewigen Vater Deiner Freundschaft gewürdigt sind.

Das sind wenige, lieber Herr!

Aber sie leiden Deine Leiden.

Du leidest in Ihnen weiter.

Du lebst ja in deinen Freunden weiter auf dieser Erde.

Und Du bist es, der in Ihnen leidet, um jedes Zeitalter einzeln und neu zu erlösen, zu entsühnen, ihnen die Erlösergnade zu verdienen!“

Der Kreuzweg endet mit diesen Worten:

„Herr, ich will meine Hingabe erneuern.

Da hast Du mich! Amen“.[3]

 

Auch in der Nähe des ehemaligen KZ Bergen-Belsen gibt es (noch) eine Sühnekirche.

Sie wird allerdings immer weniger genutzt.

Eine Sühnebruderschaft hat sich vor Jahren bereits aufgelöst. 

Das zuständige Bistum Hildesheim ist auf Sparkurs. Bischof Heiner Wilmer ist gegen einen Abriss der sanierungsbedürftigen Kirche. Er „würde das falsche Signal in die Gesellschaft setzen, dass die Kirche mit der Geschichte des Nationalsozialismus fertig ist“, sagt er. Aus dem Gotteshaus könne aber ein Ort der Begegnung, des gemeinsamen Nachdenkens und des Gebets dafür werden, dass die Gewalt nicht das letzte Wort hat. Wilmer räumt ein, das Charisma der Sühnekirche sei „in die Krise gekommen“, betont aber, nur scheinbar sei die Rede von Sühne unzeitgemäß und sperrig. Er sieht darin eher eine „produktive Herausforderung“. [4]

 

Strafe, Buße, Sühne

 

Die Begriffe Strafe, Buße und Sühne werden im juristischen Bereich miteinander verwoben. Nach der Sühnetheorie gibt Strafe dem Täter zum Beispiel die Möglichkeit, sich durch Buße wieder mit der Rechtsordnung zu versöhnen.

An dieser Theorie wird vielfach kritisiert, dass Sühne Freiwilligkeit voraussetzt, die jedoch bei einer vom Staat aufgezwungenen Strafe nicht existiert.

Obwohl Sühne im religiösen Bereich immer freiwillig ist, gibt es auch hier Unverständnis dafür, dass Menschen für die Sünden anderer Sühne leisten.

Ein Blick in die Schrift zeigt: Im Alten Testament ist der Begriff Sühne an vielen Stellen verankert - zum Beispiel in Dan 3,40

„Wie Brandopfer von Widdern und Stieren, wie tausende fetter Lämmer, so gelte heute unser Opfer vor dir und verschaffe uns bei dir Sühne. Denn wer dir vertraut, wird nicht beschämt“ und Ex 30,10

„An seinen [des Altars] Hörnern soll Aaron einmal im Jahr die Sühne für die Sünden vollziehen; mit dem Blut des Sühneopfers soll man einmal im Jahr auf ihm die Sühne vollziehen von Generation zu Generation. Etwas Hochheiliges ist es für den Herrn“. 

Papst Benedikt XVI. hat ein in einer Katechese betont, der jüdische Tempelkult habe keine wirkliche Sühne für menschliche Schuld bringen können. Seine Riten seien lediglich symbolisch und vorläufig gewesen.[5]

Im Alten Testament ist das stellvertretende Sühneopfer Christi für alle Menschen bereits vorhergesagt, zum Beispiel in Jes 53, 5ff:

„Durchbohrt aber wurde er unseres Vergehens wegen, unserer Verschuldungen wegen wurde er zerschlagen, auf ihm lag die Strafe, die unserem Frieden diente, und durch seine Wunden haben wir Heilung erfahren... Dem Herrn aber gefiel es, ihn mit Krankheit zu schlagen“.

 

Die Sühneleistung Christi

 

Im Neuen Testament betont der Apostel Paulus die Bedeutung des Begriffs:

„Jetzt gibt es keine Verurteilung mehr für die, welche in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus hat dich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes. Weil das Gesetz, ohnmächtig durch das Fleisch, nichts vermochte, sandte Gott seinen Sohn in der Gestalt des Fleisches, das unter der Macht der Sünde steht, zur Sühne für die Sünde, um an seinem Fleisch die Sünde zu verurteilen“ (Röm 8, 1-3).

Papst Benedikt XVI. nahm auch Bezug auf Paulus mit dem Hinweis auf das Kreuz Christi, den höchsten Akt der göttlichen Liebe, den „wirklichen Gottesdienst, der der Wahrheit Gottes und des Menschen entspricht".

Auch der Katechismus der katholischen Kirche unterstreicht den „unerschöpflichen Wert“ den bei Gott die Sühneleistungen und Verdienste Christi, unseres Herrn, haben, die dargebracht wurden, damit die gesamte Menschheit von der Sünde frei werde und zur Gemeinschaft des Vaters gelange“.[6]

Anselm von Canterbury (um 1033 bis 1109) ging in seiner Satisfaktionslehre davon aus, der sündige Mensch habe Gott die ihm schuldige Ehre geraubt. Für den Menschen gebe es daher nur zwei Möglichkeiten: Genugtuung oder Strafe. Da der Mensch aus eigenem Vermögen die Genugtuung nicht erreichen könne, bräuchte es einen Menschen, der vollkommen ohne Schuld ist und Gott etwas bietet, was er ihm nicht sowieso schon schuldig wäre – den eigenen Tod, durch den der Gott-Mensch Jesus Christus uns erlöst hat.[7]

Das Konzil von Trient (1545 – 1563) brachte das Opfer der heiligen Messe mit der Passahfeier im Abendmahlsaal und mit dem Opfer Christi am Kreuze in Verbindung und stellte fest: „Die heilige Messe ist ein wahres und eigentliches Opfer.

Die Opfergabe, die Gott in der heiligen Messe dargebracht wird, ist ein und dieselbe wie jene, die einst am Kreuze geopfert wurde, nämlich Christus, eine reine, heilige, unbefleckte, Gott vollkommen wohlgefällige Opfergabe von unendlichem Wert. [8]

 

Teresa von Avila

 

Teresa von Avila (1515 – 1582) hat in ihrem Kodex „Weg der Vollkommenheit“, einem Kampfruf zur Gegenreformation, ihre geistlichen Töchter zur Sühne und zum Gebet aufgerufen:

„Meine Schwestern, jetzt ist wahrhaft keine Zeit mehr, in unseren Gebeten dem lieben Gott unsere kleinlichen egoistischen Anliegen vorzutragen; jetzt handelt es sich um größere Dinge! … Ein ungeheurer Brand verzehrt die Christenheit, und Jesus sieht sich von neuem zum Tode verurteilt.

An uns ist es, Sühne zu leisten und Christi Evangelium durch treue Gefolgschaft zu schützen. Helft mir, Schwestern, vom Herrn diese Gnade zu erbitten, dass das Unheil nicht noch weiter um sich greife und täglich immer mehr Seelen zugrunde gehen!“ [9]

 

Durch die Jahrhunderte haben Gläubige auf die Kraft des Sühnegebets vertraut.

Die selige Theresia vom hl. Augustin und ihre 15 Gefährtinnen des Karmelitinnenordens haben sich 1794 Gott als Opfer angeboten, um durch ihre Hingabe Sühne für die Verbrechen der französischen Revolution zu leisten und ein Ende der Verfolgung der Kirche den Frieden zu erflehen.

Im Gefängnis trösteten und ermutigten sie ihre Mitgefangenen, so dass sie leuchtende Zeugen dafür sind, dass der Glaube stärker ist als ein grausamer Tod. Die Märtyrinnen wurden am 17. Juli 1794 auf der Guillotine enthauptet. Wenige Tage später war die Schreckensherrschaft vorbei.

Die Karmelitinnen wurden 1906 seliggesprochen. [10]

 

Léon Papin Dupont, ein römisch-katholischer Laie, verbreitete im Frankreich des 9. Jahrhunderts die eucharistische Sühneanbetung und die Verehrung des heiligsten Antlitzes Jesu.  Er wurde von einer Initiative von Gläubigen in Paris angeregt, die sich nach den Unruhen von 1848 zur eucharistischen Anbetung versammelten, um Wiedergutmachung für die Sünden der Menschen darzubringen und für die Umkehr der Sünder zu beten.

1849 erhielt Dupont vom, Erzbischof von Tours, die Erlaubnis, dort mit der nächtlichen Sühneanbetung zu beginnen. Von Tours aus verbreitete er das Werk der Sühneanbetung in zahlreiche Städte des Landes.[11]

 

Intensive Gottesbeziehung

Die gefangenen Priester fanden im KZ Dachau auch einen Zugang zum Gedanken der Sühne.

Sie sahen das Schreckliche im Lager und in Deutschland und wollten ihr konkretes tägliches Leid Gott anbieten, um Sühne zu leisten.

So konnten sie in ihrem Leid einen Sinn sehen und einen Weg, Gott näher zu kommen, und zwar auf der Grundlage ihrer intensiven Gottesbeziehung.

Es gibt aus der Haftzeit Zeugnisse tiefer leidenschaftlicher Liebe zu Christus, der als Erlöser sein Leben für uns gab.

Die Eingekerkerten antworteten mit Gegenliebe.

Sie gab ihnen Kraft, auch im eigenen Kreuz Christus zu begegnen und ihn zu lieben.

In seiner Diplomarbeit erwähnt Thomas Kempter[12] zum Beispiel die Jahresabschlussfeier der Geistlichen von 1942.

Sie bestand aus drei Teilen: Gedächtnis der Verstorbenen des vergangenen Jahres, Sühne für die Sünden und Danksagung für alle Wohltaten des Jahres.

Am 19. März 1943, seinem Namenstag, durfte der ebenfalls im KZ Dachau inhaftierte Pallottinerpater Josef Kentenich, zum Dank für seine Predigttätigkeit in der Kapelle dort zum ersten Mal zelebrieren. Noch am selben Tag schrieb er im Hinblick auf diese Messfeier in einem Gedicht diese Worte:

 

Was Generationen fehlten

an unserm heiligen Gnadenorte

Durch Unterlassung, Werk und Worte,

obwohl sie Gott zum Erbteil wählte

ließ ich durch Christi Blut verzehren,

das sühnend quoll aus seiner Wund

in gnadenvoller Opferstunde,

des Himmelsvaters Ehr zu mehren.

 

Im April 1945 wurden im KZ Dachau wegen der Überfüllung des Kommandanturarrests die Ehrenhäftlinge auf Block 31, das ehemaligen Bordell, verlegt.

Gemäß den kanonischen Vorgaben wurde der geschändete Raum erst einmal mit einer liturgischen Reinigung entsühnt.

Gabriel Piguet, der inhaftierte Bischof von Clermont, schilderte später:

„Der Block, den wir bewohnten, hatte sündigen Zwecken gedient.

Als ich das erfuhr, besprengte ich ihn mit Weihwasser und feierte eine Sühnemesse für die an diesem Ort begangenen Sünden.

Ich weise auf folgendes hin: War es nicht göttlich gefügt, dass eine heilige Sühne, nämlich die des erlösenden Opfers vom Bischof persönlich in diesem Lager der Leidens und des Todes vollzogen wurde, das zu gewissen Stunden durch schändliche sexuelle Ausschweifung beschmutzt worden war?“[13]

 

Auch dem einzigen in einem KZ im KZ zum Priester geweihten, dem seligen Karl Leisner, war die Sühne wichtig:

Am Stephanstag des Jahres 1944 konnte Karl Leisner seine erste und einzige heilige Messe in der Kapelle des Priesterblocks feiern.  Er war bereits todkrank und starb acht Monate nach seiner Priesterweihe am 12. August 1945.

Seine letzte Tagebucheintragung lautete:

"Liebe - Sühne! Segne auch, Höchster, meine Feinde!" [14]

 

Dienst der Versöhnung

 

Mit dem Anstoß zum Bau Sühneklosters Heilig Blut in Dachau wollte die Gründerin und vorher Priorin des Karmels St. Josef in Beuel-Pützchen bei Bonn, Maria Theresia von der gekreuzigten Liebe, sich ganz in den Dienst der Versöhnung "an dieser Stätte der Gewalt" einbringen.

Dafür wollte sie die Schwestern im Kloster sühnen und beten lassen.

Von Kritikern des Sühnegedankens wird manchmal eingewandt, man könne die Verbrechen, die im Konzentrationslager verübt wurden, nicht ungeschehen machen.

Das aber ist auch nicht das Ziel der Sühne.

Das wird deutlicher, betrachtet man das englische Wort „atonement“ genauer.

„At-one-ment“ könnte man als „Einsmachung“ verstehen - als Versöhnungsgeschehen durch die Hineinnahme vergangenen und gegenwärtigen Unheils in die Erlösungswirklichkeit Jesu Christi.

Der litauisch-französische Philosoph  Emmanuel Lévinas, von dem die Formulierung „Leiden als Sühnung der Sünden“ stammt, hat das Aufsichnehmen von Sühne so verstanden, dass Leiden durch den Anderen zum Leiden für den Anderen werden kann, dass „dem Anderen auch die linke die Wange hinhalten“ übergehen kann von der erduldeten Schmach zur Verantwortung für den Verfolger, vom Leiden zur Sühne für den Anderen.[15]

 

Auch wer sich dem Gedanken der Sühne eigene Sünden oder für die Sünden anderer öffnen kann, mag allerdings zunächst zurückschrecken vor der Beschäftigung mit der Bekehrung eines Menschen, den der polnische Jesuitenpater Wladyslaw Lohn 1947 zum erneuten Glauben an Gott geführt hat.

 

Es war Rudolf Höß, der als Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz verantwortlich war für die Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Menschen.

Nachdem er in Polen zum Tod durch den Strang verurteilt worden war, hatte er auf ein Gnadengesuch verzichtet und um einen Beichtvater gebeten.

Nach einem mehrstündigen Gespräch mit Pater Lohn legte Höß das Glaubensbekenntnis ab, wurde wieder in die Kirche aufgenommen, die er bei der Aufnahme in die SS verlassen hatte, und beichtete.

Über den Inhalt ist natürlich nichts bekannt, aber der Jesuitenpater gab ihm anschließend die Kommunion und einen Tag später die Wegzehrung für den Übergang in die Ewigkeit. Rudolf Höß bekannte sich in einem Abschiedsbrief danach erstmals nicht nur juristisch, sondern auch moralisch zu seiner Schuld und akzeptierte seine Hinrichtung als Sühne für seine Verbrechen.

Hess bekannte: „Menschen können mir nicht vergeben, aber Gott. Ich nehme meine Hinrichtung an als Sühne für meine Schuld.“

Es wird berichtet, dass im Kloster nahe Krakau die Schwestern im von der Heiligen Faustina gegründeten Kongregation intensiv für die Bekehrung von Hess in jenen Tagen beteten.

Eine so große Barmherzigkeit Gottes übersteigt unser Vorstellungsvermögen und wird bei manchen vielleicht mit Unverständnis hervorrufen.

Der deutsche Priester Manfred Deselaers ist im ehemaligen KZ Auschwitz in der christlichen Friedensarbeit tätig.

Er wertet die Lebensbeichte als (von Höß aus mit Gottes Hilfe möglichen) guten Beziehung zu allen Menschen, auch den Opfern, gibt aber die Verpflichtung zu bedenken, die Folgen der Sünde abzuarbeiten:

„Es gibt keine Erlösung, ohne sich mit seiner ganzen Existenz den Folgen der Sünde zu stellen. Die Begegnung mit den Opfern bleibt Höß nicht erspart. Die Tradition hat dafür das Bild vom Fegefeuer“. [16]

 

[1] Süddeutsche Zeitung, 20.11.2014. Abgerufen am 3.3.2023

[2] Fünfzig Jahre Todesangst-Christi-Kapelle im ehemaligen KZ Dachau, Archiv der Schönstatt-Bewegung, 31.8.2010, abgerufen am 22.2.2023

[3] Beiträge zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau, Band 1, Adolf Fugel, Fromm Verlag, Saarbrücken. Gebete, Predigten, Ansprachen.Adolf Fugel (Hrsgb.) Leonhard Roth Fromm Verlag, Saarbrücken

[4] Bischof Wilmer gegen Abriss der Sühnekirche, Neues Ruhrwort vom 3.3.2023, abgerufen am 3.3.2023

[5] Domradio.de: Kreuz Christi als der höchste Akt. 7.1.2009, abgerufen am 3.3.2023

[6] KKK 1476, Neuübersetzung aufgrund der Editio typica latina, R. Oldenbourg Verlag, München – Libreria Editrice Vaticana 2005

[7] Anselm von Canterbury: Das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Katholisch.de, 21.4.2021, abgerufen am 3.3.2023

[8] Abtei Mariawald, Missale Romanum von 1962 — Missale Cisterciense, abgerufen am 3.3.2023

[9] Teresa von Avila: Weg der Vollkommenheit (Kodex von Valladolid). Herder, Freiburg 2001, 4. Auflage 2012.

[10] Diocèse de Tours: Leon Papin Dupont, abgerufen am 5.3.2023

Piguet, Gabriel: Mgr Gabriel Piguet, évêque de Clermont, Prison et déportation. Témoignage d’un Évêque français. Paris 1947.

[11] Gott feiern in Dachau Die Feier der Eucharistie im Kz Dachau Diplomarbeit im Fach Liturgiewissenschaft Vorgelegt von: Thomas Kempter, Illerrieden im  September 2005 Abgerufen am 1.3.2023

[12] Piguet, Gabriel: Mgr Gabriel Piguet, évêque de Clermont, Prison et déportation. Témoignage d’un Évêque français. Paris 1947.

[13] Piguet, Gabriel: Mgr Gabriel Piguet, évêque de Clermont, Prison et déportation. Témoignage d’un Évêque français. Paris 1947.

[14] Die Kirchen und Kapellen im Dachauer Land

[15] Emmanuel Lévinas: Jenseits das Seins oder anders als Sein geschieht. Freiburg/München, Alber, 1992.

[16] Manfred Deselaers: „Und Sie hatten nie Gewissensbisse?“ Die Biografie von Rudolf Höß, Kommandant von Auschwitz. Benno Verlag, Leipzig 1997.

 

 

 

Verein Selige Märtyrer von Dachau e. V.

 



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